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Schockstarre beim Schneider - wenn du dich nicht mehr wehren kannst

In meinen Blogartikel schreib ich ganz viel über Sexualität in Indien, da es ein riesen großes Thema in diesem Land ist. Von Massenvergewaltigungen hat jeder schon etwas gehört. Geschlechtertrennung ist ebenfalls ganz präsent in Indien und eine indische Frau kann nicht einfach mit einem Mann reden.

Busenstreifer inklusive Schockstarre beim Schneider

Ein sehr prägendes Ereignis für mich war bei einem Schneider. Ich hatte einen wunderschönen Stoff am Markt ergattert und wollte mir eine Hülle für meine Yogamatte nähen lassen. Also fand ich in der blauen Stadt in Jodhpur einen ganz netten Schneider, der einwilligte mir die Tasche zu nähen. Familienvater, um die 50. Schüchtern und eigentlich sehr nett. Beim Abholen der Tasche war seine Frau da. Sie war entzückend und sie hat mir Tee angeboten. Leider war die Yogahülle noch nicht ganz fertig und der Schneider bat mich am nächsten Tag wieder zu kommen.


Natürlich war da seine Frau nicht zu Hause. Ich wartete in seiner Schneiderei, ein kleiner Raum, offen zur Straße mit einer Nähmaschine. Und dann begann er mich ganz verliebt anzuschauen und mir die klassischen „du-bist-so-schön-weil-du-weiß-bist“ Komplimente zu machen. Ein Unwohlsein breitete sich in mir aus und ich versuchte meine Tasche so schnell wie möglich zu bekommen, damit ich wieder auf die Straße komme. Doch er beharrte darauf mir eine Tasche nach der anderen zu zeigen und beschloss mir eine sehr teure handgenähte Ledertasche zu schenken. Ich wusste nicht wie ich sie höflich ablehnen konnte und er händigte sie mir einfach aus. Da geschah es. Er streifte ganz sanft meinen Busen. Ich war geschockt und fragte mich ob ich es mir eingebildet hatte. Das kann doch gar nicht sein. Also sagte ich nichts. In diesem Moment legte sich eine Art Schockstarre um mich. Ich konnte mich einfach nicht mehr bewegen. Konnte keinen Mucks sagen. War wie gelähmt, da ich nicht damit gerechnet hatte. Er schaut mich an und fragte nur „You don’t mind?“ Da kippte mir die Kinnlade runter aber ich war noch immer handlungsunfähig. Ich konnte nicht schreien, weder protestieren. Ich konnte nichts antworten. Wusste nicht was ich tun sollte und schaffte es gerade mal ein „What do you mean“ rauszupressen. Er redete sich heraus und irgendwie schaffte ich es zu gehen.


warum man sich bei sexuellen Übergriffen oft nicht wehren kann

Sobald ich wieder im Hotelzimmer war, brach ich in Tränen aus, da ich mich so über mich ärgerte. Warum konnte ich nichts sagen? Warum konnte ich nicht handeln, schreien oder eine Ohrfeige austeilen. Und ich kann es dir genau sagen. Weil ich nicht damit gerechnet hatte. Ich war nicht vorbereitet. Wenn man alleine durch Indien reist, ist man prinzipiell auf der Hut. Man ist vorsichtig und handelt weise. In dieser Situation wollte ich schnell in mein Zimmer zurück, da ich müde war. Ich war nicht vorbereitet auf einen sexuellen Übergriff. Ich war dann in diesem Moment komplett überfordert und mein Körper hat mit der sogenannten Schockstarre reagiert. Viele Menschen, die sexuelle Gewalt erleben, berichten von dieser Schockstarre, die auch tonische Immobilität genannt wird. Sie ist gleich zu setzen mit dem Totstellreflex bei Tieren.

Diese Reaktion von unsrem Körper ist schrecklich, denn es fühlt sich so an als wärst du daran Schuld, da du ja nichts gesagt hast. Vorwürfe begleiten dich gedanklich. Bei mir war es Gott sei Dank nur ein Busenstreifer. Doch tausende Frauen erfahren tagtäglich schwere physische oder psychische Gewalt. Schätzungen zufolge erfolgen 90% der Gewalttaten in familiären Rahmen. Im Gedanken bin ich bei allen Gewaltopfern und hoffe, dass unsere Welt friedvoller und ruhiger wird. Ich hoffe vom tiefsten Herzen, dass Frauen immer mehr Rechte erlangen und ein sicheres beschützen Leben führen können.

hochoffizielle Entschuldigung auf der Straße

Was ich übrigens nach dem Schneider gemacht habe? Natürlich hab ich das NICHT auf mir sitzen lassen. Meine zwei ukrainischen Freunde, mit einem sehr großen Beschützerinstinkt, haben sich sofort eingeschaltet. Sie haben mich am nächsten Tag in meinem Hotel abgeholt und wir sind gemeinsam zu ihm gegangen. Keiner war zu Hause, da ein Nationalfeiertag war. Wir haben ihn zehn Minuten lang rausgeklopft bis er ziemlich sprachlos vor uns Stand. Die zwei Ukrainer haben ihn ein hoch offiziell ausschauendes Dokument vor die Nase gehalten, in dem alle Frauenrechte aufgelistet waren. Außerdem waren die sträflichen Konsequenzen beschrieben und die Folgen wenn das Innenministerium eingeschaltet werden sollte. Alles natürlich in seiner Sprache. Er wurde kreidebleich, denn die Inder haben panische Angst vor der Polizei und dem Gefängnis. Meine zwei ukrainischen Freunde erklärten ihn, dass sie eine Entschuldigung verlangen würden. Er, mitten auf der Straße stehend, in Panik, dass es seine Frau oder seine Nachbarn mitbekommen, entschuldigte sich hoch offiziell bei mir.


Zum Abschluss haben mir die Ukrainer noch ein Pfefferspray geschenkt, damit sie sich weniger Sorgen um mich machen müssten. Gebraucht habe ich es Gott sei Dank nie.




meine zwei ukrainischen Freunde


ungefähr so hat der Raum des Schneiders ausgeschaut














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